„Durch die intensive Nutzung von Feld, Wald und Wiesen wird das Ökosystem Naturhaushalt erheblich gestört.“ Dies sagt Ludwig Schrägle, ehemaliger Leiter des Hegerings Sulz/Vöhringen sowie Jäger und Naturschutzwart, in der „Neckar Chronik“. Herold Schwind sprach mit ihm - hier der Bericht, der am 20. Oktober veröffentlicht worden ist.
„Man muss den Wildtieren etwas zurückgeben, da die natürlichen Lebensräume immer mehr schwinden“, sagt Ludwig Schrägle und steht dabei neben einer sogenannten Wildäsungsfläche im Wald bei Bergfelden. Der ehemalige Leiter des Hegerings Sulz/Vöhringen und Naturschutz-wart aus Holzhausen kennt zu-gleich als erfahrener Jäger die Nahrungslage für Tiere im Wald. Schrägle ist sich sicher, dass ohne solche von Menschen geschaffenen zusätzlichen Futterangebote ein Artensterben nicht zu vermeiden wäre.
Ein Prozent Wald für Äsung
Die steigenden Energiepreise von Öl und Gas ziehen automatisch eine höhere Brennholznachfrage nach sich, was sich bei den Brennholzversteigerungen deutlich zeige. Die Folge: Der Holzbedarf kann nicht mehr gedeckt werden. Bereits jetzt sei der weltweite Holzeinschlag um 30 Prozent höher als der Holzzuwachs. „Durch die intensive Nutzung von Feld, Wald und Wiesen wird das Ökosystem Naturhaushalt erheblich gestört“, erklärt der ehemalige Hegerlingleiter. Dies hat zur Folge, dass die Lebensgrundlagen für das heimische Wild immer weniger werden. Eine Neuregelung im Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aus dem Jahr 2016 verbietet zudem grundsätzlich die Fütterung von Wild in der bisherigen Form. Um den Eiweißbedarf zu decken, sei deshalb der Verbiss von Knospen und Trieben von Jungpflanzen etwa durch Rehe eine logische Folgen. Damit der Mineralstoffbedarf ausgeglichen werden kann, begibt sich das Wild im Winter immer wieder gefährlich nah an Straßenränder, um Streusalz zu lecken – und dies, obwohl die Jäger Salzlecksteine im Wald aufstellen. Aufgrund des Fütterungsverbots werde sich das Wild aber auch vermehrt auf die Felder von Landwirten begeben, prognostiziert der Naturfachwart.
Um dem entgegenzuwirken, bleibt Jägern nur noch die Möglichkeit, Wildäcker und Wiesen anzulegen. „Diese zusätzlichen Äsungsflächen sollen dem Wild abwechslungsreiche Äsung sowie Deckung verschaffen, um Verbissschäden im unmittelbaren Umfeld zu minimieren“, erklärt Ludwig Schrägle. Gute Wildackermischungen bieten gleich mehreren Tierarten Deckung und Äsung. Das Fütterungsverbot betrifft aber auch die Ablenkungsfütterung von Wildschweinen, die dann vermehrt Kartoffel- und Maisäcker regelrecht umpflügen.
Die speziell gemischte und von Schrägle auf einem Acker bei Bergfelden verwendete Wildackermischung macht Rehwild und Hasen vom Herbst bis ins Frühjahr ein abwechslungsreiches und ausgewogenes Nahrungsangebot. Darüber hinaus unterstützt die Mischung auch Insekten, Vögel und Nagetiere bei der Nahrungssuche. Der Ölrettich und die Winterrüben, die dazu gehören, vertragen sogar Temperaturen bis minus 15 Grad Celsius, der Furchenkohl sogar bis minus 25 Grad Celsius.
Die Vielzahl der Feldfrüchte hat sich in den vergangenen 30 Jahren von neun Sorten auf fünf Sorten fast halbiert. Besonders der Anbau verschiedener Kleearten, die den Eiweißbedarf des heimischen Wilds decken sollen, tendiere heutzutage gegen Null. Dafür nehmen Raps, Mais und Ganzpflanzensilage einen großen Platz ein. Je nach Waldform sei ein Prozent der Waldfläche als Äsungsflächen anzustreben, die Waldbesitzer den Jägern zur Verfügung stellen sollten, fordert der ehemalige Leiter des Hegerings Sulz/Vöhringen. Das Anlegen solcher Wiesen ist zwar mit einem erhöhten Arbeitsaufkommen verbunden, beschert Jägern aber gesundes und starkes Wild und weniger Verbiss an Baumknospen sowie allgemein weniger Wildschäden. Das Wild kann damit an bestimmte Revierteile gebunden werden, zudem werden Insekten wie Bienen durch die Blütenmischungen angelockt.
Kritik an „Best Invest A 81“
Schrägle kritisiert aber auch den enormen Flächenverbrauch durch Gewerbegebiete und nennt als Beispiel das geplante Regionale Gewerbegebiet „Best Invest A 81“ zwischen Holzhausen und Bergfelden. Das Niederwild, unterem anderem die Feldhasen, verlöre durch die Flächenversiegelung einen wichtigen Lebensraum. Dieses Revier, das unter dem Namen „Bergfelden Nummer 10“ von der Jagdgemeinschaft Bergfelden geführt wird, nimmt seit 2017 an einem Feldhasenmonitoring teil. In diesem Gebiet wurden auf einer Fläche von 100 Hektar im Frühjahr durchschnittlich zehn Hasen und im Herbst sogar 15 Hasen gezählt. Die Wildforschungsstelle schreibt hierzu: „Der Verlust dieses Reviers wäre sehr bedauerlich, da es sich bei dem Zähler um einen engagierten, verlässlichen Projektteilnehmer handelt, der seit 2017 viel Zeit und Arbeit in das Niederwildzensusprojekt investiert hat“.